Мир

Pater Serhii DMYTRIIEV: Mächtiger Gott! In diesen Tagen brauchen wir gerade Deine Kraft

Mit Pater Serhii Dmytriiev, dem Leiter des Sozialdienstes der Orthodoxen Kirche der Ukraine und dem Kaplan der 30. mechanisierten Brigade von Fürst Konstantin Ostroschski, sprachen wir über... den Frieden. Dies geschah einige Tage vor dem Krieg. Das Thema des Friedens ist auch heute noch relevant, allerdings in einem anderen, tieferen Kontext. Nur jetzt gehen wir durch den Schmerz des Verlustes, die Grausamkeiten der Besatzungsarmee und die Ruinen unserer Häuser auf ihn zu. Deshalb sprechen wir über die Werte des Friedens in Antworten auf Fragen, die ihre Aktualität nicht verloren haben, und in Auszügen aus dem Kriegstagebuch des Paters auf Facebook (https://www.facebook.com/dmitrievsergii).


"Wir müssen den Wert des LEBENS und der FREIHEIT verstehen"
24. Februar

Jetzt, mehr denn je, müssen wir EINHEITLICH sein! Wir müssen den Wert von LEBEN und FREIHEIT verstehen! Nur gemeinsam bekämpfen wir den Feind, erringen den Sieg und werden frei!
Lassen wir uns diesen Ausschnitt aus dem Film Braveheart als ein Ruf zur FREIHEIT betrachten:
"Ich sehe hier eine ganze Armee meiner Landsleute vor mir, die sich der feigen Tyrannei widersetzen. Ihr kommt um als freie Männer zu kämpfen!
Und freie Männer seid ihr alle.
Was würdet ihr tun ohne Freiheit?
Kämpft und ihr sterbt vielleicht.
Flieht und ihr lebt...wenigstens eine Weile.
Und wenn Ihr dann in vielen Jahren sterbend in eurem Bett liegt, wärt Ihr dann nicht bereit, jede Stunde einzutauschen von heute bis auf jenen Tag, um ein Mal nur, ein einziges Mal nur, wieder hier stehn zu dürfen und unsren Feinden zuzurufen. Ja, sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns unsre Freiheit!

– Pater Serhii, im Jahr 2014 haben einige Christen den Wehrdienst vermieden, weil sie das Gebot "Du sollst nicht töten!" einhalten wollten...
– Für mich ist die Antwort auf diese Frage sehr einfach: Wenn Soldaten töten würden, würden sie strafrechtlich verfolgt werden! Es gibt den Beruf des Verteidigers des Vaterlandes. Es ist genauso wie andere Berufe wie Arzt, Polizist, Feuerwehrmann oder Lehrer...
Wenn ein Dieb in Ihre Wohnung bzw. Ihr Haus in der Nacht oder sogar am Tag einbricht, was würden Sie tun?

Das ist die Antwort auf diese Frage. Alles andere ist Manipulation. Aber andererseits, würde ich nicht an der Front sein, wenn die Ukraine ein anderes Land angreifen würde.




"Ein Mensch ohne Glauben ist wie ein nackter Körper ohne Schild"

26. Februar, der Post der Orthodoxen Kirche der Ukraine auf der Seite des Paters Serhii Dmytriv

Ein Frontkaplan repräsentiert eine besondere gute Kraft, eine göttliche Kraft, die nicht direkt handeln kann, aber deren Anwesenheit Ruhe bringt: "Wir sind eine Nation, die sich besonders auf Gott bezieht. Er ist ständig in unseren Herzen, Kirchen, in unseren Traditionen und unserer Kultur präsent. Auf jeder Position gibt es Papiergebete und Ikonen. Der Soldat hat diese Gebete vielleicht nur einmal gelesen, aber Gott ist uns trotzdem nahe… Als Kinder mussten wir nicht unbedingt mit unseren Eltern oder älteren Geschwistern immer spielen. Sie waren einfach anwesend und das hat uns beruhigt. Deshalb spielt die Anwesenheit eine wichtige Rolle".


– Wächst in dunklen, unruhigen Zeiten das Bedürfnis nach Gott? Gibt es viele Nichtgläubige an der Front?
– Wenn die Gefahr vor einem Menschen steht, beginnt der Mensch nach Gott zu suchen. Genauso wie bei Schicksalsentscheidungen.
Es gibt genauso viele Atheisten an der Front wie in der Gesellschaft: 10-20%. Aber selbst einige von ihnen sagen in außergewöhnlichen Situationen: "Na ja, es muss doch eine höhere Macht geben!".
Ein Mensch ohne Glauben (ich spreche jetzt nicht nur vom christlichen Glauben) ist wie ein nackter Körper ohne Schild. Man kann auch viele weitere Beispiele finden.

– Wem vertrauen die Kameraden im Krieg mehr: dem Militärpsychologen oder dem Kaplan?
– Ich würde nicht sagen, dass man jemandem mehr vertraut. Auf der Front hat es Bedeutung, welche Art von Mensch du bist.

"Liebe besiegt alles"
22. März
Liebe besiegt alles
Liebe ist wie duftende bunte Blumen während des winterlichen Frosts.
Liebe ist ein Gefühl, das eine unglaubliche Kraft hat. Liebe ist das, wofür wir leben.
In diesen dunklen Tagen in der Ukraine haben viele Verteidiger und Verteidigerinnen haben geheiratet. Warum? Wenn Menschen lieben und sich vereinen, steigt der Anreiz zu schützen, zu verteidigen und zu siegen um ein Vielfaches.
Denn nur die Liebe bewegt diese Welt, die Liebe gibt uns Kraft und Zuversicht.
Liebe macht uns zu einem Monolithen, einem Felsen, den niemand brechen kann.
Wir werden siegen!
Denn Gott und große Liebe und Respekt füreinander sind bei uns!

– Ich leite das Team der Gemeinschaft Eleos Ukraine www.eleos.com.ua bei der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Sie hilft zwangsumgesiedelten Menschen, Menschen mit Behinderungen und einsamen Senioren. Und auch Krebspatienten, Drogenabhängigen, HIV-Infizierten, Waisen, entlassenen Soldaten der ukrainischen Streitkräfte und ihren Familien... Als Priester werde ich ständig mit fremdem Schmerz konfrontiert. Fremder Schmerz entwickelt in mir Empathie, Mitgefühl, lehrt mich, Menschen anzunehmen und ermöglicht es mir, mit ihnen einen bestimmten Weg zu gehen.
– Ja, Sie waren kürzlich mit meiner Freundin telefonisch verbunden, die im Hospiz in Iwano-Frankiwsk an Krebs verstarb. Und als sie in den Himmel ging, schrieben Sie auf Ihrer Facebook-Seite, dass Sie mit ihr besprochen hatten, dass die Siegerin werden musste, unabhängig vom Ausgang ihrer Geschichte...
– Es ist wichtig, dass eine Person sich dem Gebet anschließt, Gott findet und ihn spürt. Ein Priester, kann man sagen, ist wie ein Kellner im Restaurant. Er deckt einfach den Tisch. Er kann Zeuge eines Gesprächs-Gebets sein, aber kein Vermittler.
Natürlich geht es mir auch manchmal schlecht. Ich fühlte mich irgendwann innerlich leer und erschöpft. Ich ging zu Veterano Pizza in Kiew, wo ich sieben meiner Freunde traf, darunter auch einen militärischen Psychotherapeuten. Er führte mir eine Therapiesitzung durch. (Lacht). Sofort ging es mir besser. Solche Treffen schickt Gott, um uns auf jede Weise zu unterstützen. Der Herr liebt uns!

"Die Menschlichkeit nicht verlieren"
11. März


Wir kämpfen nicht, weil wir diejenigen hassen, die vor uns stehen, sondern weil wir diejenigen lieben, die hinter uns stehen!
Roman Schuchewytsch

– "Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, welche euch beleidigen und verfolgen" (Matthäus 5:44). Fällt es Ihnen als Priester, der an der Front dient, leicht, diese alles umfassende Liebe zu praktizieren und zu predigen? Gibt es für Sie einen Widerspruch zwischen Patriotismus und dieser Liebe, die das Wesen des Christentums ausmacht?
– Ich sehe nichts Schlechtes im Patriotismus.
Offensichtlich bin ich unvollkommen. Ich würde gerne alles aus Liebe tun. Die von Ihnen zitierten Worte aus dem Neuen Testament bedeuten für mich, die Menschlichkeit im Umgang mit denen, die uns Unrecht tun, nicht zu verlieren. Zum Beispiel gegenüber Gefangenen. Ich sehe, wie unsere Soldaten mit ihnen umgehen, basierend auf dem Ehrenkodex.
Den Feind zu vergeben, bedeutet nicht, alle Gefängnisse zu öffnen, die Häftlinge freizulassen, das Justizsystem abzuschaffen... Und was dann? Die Bibel spricht nicht davon.
Vergebung ist möglich, wenn die Schuldigen ihre Schuld erkennen, sich beugen, um Vergebung bitten und sich bessern.
Vergebung zu gewähren, wenn man geschlagen wird, bedeutet, sich zu erniedrigen und zu zerstören. Ich arbeite mit Frauen zusammen, die häusliche Gewalt erlebt haben. Ich bin dagegen, dass sie zu ihren Peinigern zurückkehren, leiden und vergeben. Das geht nicht!
Als römische Soldaten Christus schlugen, fragte er: "Warum hast du mich geschlagen?". Im Original klingt das wie eine Beschwerde. Jesus war empört, als er ohne Grund geschlagen wurde.
Deshalb müssen wir uns empören, über Unrecht sprechen und uns verteidigen.
Wenn wir über Vergebung sprechen, sollte es offensichtlich wie bei dem Oberzöllner bzw. Steuereintreiber Zachäus sein. Als er Jesus traf, versprach er, allen, die er jemals beim Einziehen von Steuern beleidigt hatte, das Vierfache zurückzugeben.
Aber offensichtlich müssen unsere Feinde zuerst Jesus treffen!

"Lieber Herr, ich bitte um deine Gerechtigkeit für die Ukraine"
4. März

Mächtiger Gott!
In diesen Tagen brauchen wir deine Stärke.
Um an den Sieg zu glauben, unsere Brüder und Schwestern zu unterstützen, für unser Land, unsere Sprache, den Frieden unserer Kinder und Mütter zu kämpfen. Ich bitte dich, gib uns die Kraft, die uns helfen wird, nach Stürzen aufzustehen, Tränen zu trocknen, die Zähne zusammenzubeißen, Schmerzen zu vergessen und vorwärtszugehen. Gib uns die Kraft, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute unser Haus, unsere Ukraine zu verteidigen. Unsere Felder, Wälder, Gärten, unsere Städte und Dörfer.
Ich bitte dich, guter Gott, vor allem um die Kraft, die wir brauchen, um unsere Söhne und Töchter zu schützen, die sich in Bunkern verstecken, vor den russischen Explosionen zittern und vor Angst weinen.
Gib uns die Kraft, sie vor den Besatzern zu schützen und ihnen Frieden und Freude in ihr Leben zurückzugeben.
Herr, ich weiß, dass du ein gerechter Gott bist. Ich bitte um deine Gerechtigkeit für die Ukraine, um gerechte Strafe für den Feind, der auf unser Land gekommen ist.
Du siehst, wie dein Volk unter den Söhnen des Bösen leidet. Schütze uns, verteidige uns, gib uns Frieden und erwecke in unseren Herzen den Glauben an den Sieg, die Liebe der Ukrainer zueinander und die Hoffnung, dass bald Frieden in unserem Land herrschen wird.

Herr,
Wir glauben an dich und vertrauen auf dich. Mögen unsere Hände stark sein, unser Herz ruhig, unser Verstand stark und unser Glaube an den Sieg unerschütterlich. Wir haben keinen Platz zum Zurückweichen, keinen Platz zum Fliehen, wir sind auf unserem eigenen Land, in unserem Zuhause.
Ich danke dir für diesen Tag.
Mit dir können wir alles tun, mit deiner Kraft und Segen gehen wir zum Sieg.
Amen.

Nadiia Tysiachna
Das Interview fand mit Unterstützung der Stiftung für Frieden und Entwicklung statt. Das Ziel der Stiftung ist die Förderung von Bildung und Innovationen für die Zukunft des Landes.
Foto aus dem Archiv vom Pater Serhii Dmytriiev
Frieden